
Du hast in Köln an der Fachhochschule „Fotoingenieurwesen“ studiert. Ein sehr technisches Studium, aber gleichzeitig auch sehr breit aufgestellt mit Schwerpunkten in Chemie, Optik, Mikroskopie, Holografie, Repro- und Farbtechnik, Film- und Fernsehtechnik, Bildgestaltung und Audiovision. Wie kam es dazu, dass du angefangen hast, dich für Fotografie und speziell für das Kuratieren von Ausstellungen zu interessieren?
Ich habe vorher eine 3½ jährige Ausbildung zur Chemielaborantin bei Bayer absolviert und danach verschiedene Jobs gemacht. In der Chemie wollte ich nicht arbeiten, machte noch mein Fachabitur und konnte mich damit für das Studium des Fotoingenieurwesen bewerben.
Unter den 100 angenommenen Student:innen waren nur vier Frauen und ich war glücklicherweise eine davon. Fotografie war aber nur ein kleiner Teil des Lehrangebotes. Man hatte vor allem viele technische Fächer: Chemie, Physik und Mathematik.
Im Studium habe ich mich zuerst mit Film auseinandergesetzt und wollte damals die zweite Kamerafrau Deutschlands werden. Die erste gab es schon beim WDR. Mein Interesse für künstlerische Fotografie wurde aber auch geweckt, weil wir mit Professor Wedewardt einen supercoolen Lehrer hatten. (Anm. d. Red. Von 1961-1993 war Heinz Wedewardt Professor für fotografische Gestaltung und Audiovision an der Kölner Fachhochschule) Er war einer der Wenigen, bei dem wir kreativ arbeiteten und mit dem wir u.a. das Fotofestival in Arles besuchten. Dort entstand eine Multimediaschau, die wir auf der photokina präsentierten.
Zu der Zeit war Ulrich Tillmann’s "Gallery without a Gallerist" (1979-1985 mit Bettina Gruber und Maria Vedder) neben der Galerie "Lichttropfen" (später Galerie Rudolf Kicken) und Galerie Wilde der einzige Ort, an dem Fotografie gezeigt wurde und ein Mittelpunkt der Fotokunst Szene. Selbst Absolvent der FH hatte Uli zeitweise einen Lehrauftrag an unserem Fachbereich und wir besuchten wir Ausstellungen in Essen im Museum Folkwang, in Düsseldorf und im ganzen Umkreis und er prägte dabei meine Ideen über Ausstellungen (1988 zeigten wir dann bei Lichtblick seine Cyanotypien in ‚Seestücke‘).
Wie kam es zu der Gründung der Galerie Lichtblick 1986?
Im Fotoatelier der FH bildete sich eine Gruppe, die zusammen Projekte erarbeitete und zur 2. Int.Photoszene 1984 im Cafe Bauturm präsentierte. Auf einer Party hörten wir von einem freigewordenen Ladenlokal in Nippes und entschieden uns, dort die Galerie Lichtblick zu gründen. Am Anfang bestand unsere Gruppe aus sieben Mitgliedern u.a Stefan Worring (Kölner Stadt-Anzeiger) und Norbert Görtz (später Galerie "ARTicle"). Zur photoszene 1986 zeigten wir die Ausstellung "3 und 1 im Sinn" mit Susanne Brügger, Ingo Taubhorn und Wolfgang Zurborn (Absolvent*innen der FH Dortmund). Wolfgang Zurborn stieg dann direkt ins Lichtblick Team ein und seit 2000 sind wir das Duo der Galerie mit über 200 Ausstellungen in 39 Jahren.
Wie kam es dann zu der ersten Ausstellung?
Für die Eröffnungsausstellung war mir klar, dass es ein Knaller ein muss.
Zu dieser Zeit hatte ich Kontakt mit der Schweizer Firma Ciba-Geigy, die mir Bilder von Jürgen Sieckmeyer und Britta Michaelis auf ihrem speziellen Cibachrome Fotopapier zeigten, eine Serie über den Chinesischen Nationalzirkus in Peking. Die Abzüge auf dem Cibachrome Material hatten eine solche Leuchtkraft, dass ich entschied: „Das wird unsere erste Ausstellung!“
Darüber hinaus waren es auch sehr große Prints, was damals aufgrund der technischen Anforderungen eher ungewöhnlich war. Die Ausstellung mit dem Titel „Begnadete Körper“ wurde am 8. März 1986 von L.Fritz Gruber eröffnet und lockte viele Besucher:innen an.
Liest man die Namen die ihr in der Galerie Lichtblick in den 90er Jahren ausgestellt habt finden sich viele Fotograf:innen und Künstler:innen wieder, die heute einen größeren Bekanntheitsgrad haben. Um ein paar vorzulesen: Alex Webb, Boris Mikhailov, Jitka Hanzlova, Gundula Schulze, Bruce Gilden oder Christopher Rauschenberg. Wie hat sich euer Netzwerk an Künstler:innen und Fotograf:innen international ausgeweitet ? Und welche Rolle spielten Fotofestivals dabei?
Ich bin damals schon sehr viel gereist und und habe dabei immer erkundet, wo es in der Welt Orte gibt, an denen Fotografie gezeigt wird. Es gab ja noch nicht so viele Fotofestivals wie heute und deshalb war es wichtig, einen Zugang zu der internationalen Fotoszene zu bekommen. Das war besonders erfolgreich bei einem Symposium zur spanischen Fotografie an der Universität in Eindhoven 1992. Bei seinem Vortrag traf ich Joan Fontcuberta und stellte ihn später bei Lichtblick aus. (Anm. d. Red. „Fotomontage in Spanien: 4 Zeitgenössische Künstler aus Barcelona“ mit Fontcuberta, Hernando, Am.Sánchez und Guillumet, 1988). Spät abends an der Bar fiel mir ein Typ wegen seines sehr extrovertierten Tanzstils auf und so lernte ich Chris Rauschenberg kennen. Das war der Beginn einer tiefen Freundschaft und daraus entstand die Kooperation mit seiner Galerie "Blue Sky" und dem Fotofestival in Portland (Anm. d. Red. Photolucida ehemals Photo Americas).
Durch ihn habe ich auch den Zugang zum Fotofest Houston bekommen. Auf seine Empfehlung hin wurde ich als Portfolio Reviewer eingeladen und habe dort im Lauf der Jahre Fotograf:innen aus aller Welt getroffen, von denen wir viele bei Lichtblick gezeigt haben. Ein Schwerpunkt unseres Galerieprogramms war deshalb der Austausch mit internationalen Festivals und Galerien, wie z.B. der Fotogalerie Wien, dem Centre Régionale de la Photographie Nord Pas-de-Calais und Festivals in Arles, Athen, Lodz, Groningen, Plovdiv etc. und seit 2012 Kolga Tbilisi Photo in Georgien.
Wir waren aber immer an Neuentdeckungen in der jungen deutschen Fotoszene interessiert und dabei waren auch einige Absolvent:innen von Hochschulen wie u.a. Jitka Hanzlova 1993 mit ihrer Serie „Rokytník“ und Anna Ehrenstein 2014 mit der Installation „Tales of Lipstick and Virtue“.
Ein weiterer Name, den ihr 1995 während der 9. Int. Photoszene ausgestellt habt war Alex Webb, der seit 1976 bei Magnum Photos ist und damals schon bekannter war. Wie kam es dazu, dass ihr es geschafft habt, internationale Fotograf:innen in der Galerie Lichtblick auszustellen, die teilweise von großen Agenturen vertreten waren?
In einer Buchhandlung in Miami haben Wolfgang Zurborn und ich Anfang der 90er Jahre das Buch "Under a Grudging Sun" von Alex Webb entdeckt und waren so beeindruckt, dass wir ihn unbedingt ausstellen wollten.
Zuhause habe ich dann Larry Towell angerufen, den ich über Chris Rauschenberg kannte. Er stellte den Kontakt zu Alex Webb her und so konnte ich diesem erklären, dass wir eine kleine Galerie in Köln sind, die unbedingt eine Ausstellung mit ihm machen wollen. Er fragte dann: „Habt ihr Geld?“, woraufhin ich „Nein“ sagte. „Dann kann ich euch nur eine Box mit fertigen Prints schicken“. Das war dann 1995 ‚Mexico‘, die erste Ausstellung von ihm in Deutschland. (lacht). Und das zu einer Zeit als Fotojournalismus hierzulande noch ‚in Pressemedien gehörte und nicht an die Wand‘ und es noch kein Magnum Ausstellungsprogramm gab.
Ich habe immer mit den Fotograf:innen direkt zusammengearbeitet und bin nicht den Weg über Agenturen oder Galerien gegangen.
Welchen Einfluss hatte das Int. Photoszene Festival auf das Ausstellungsprogramm der Galerie Lichtblick?
Wir haben darauf geachtet, ein breites Spektrum internationaler künstlerischer Positionen vorzustellen und legten Wert darauf, bei der Int. Photoszene neue spannende Positionen zu zeigen. Das Festival selbst gab keine Themen vor und hatte somit keinen Einfluß auf unsere Auswahl.
Durch meine Arbeit in der Galerie Friedrich kannte ich die ganze Galerieszene in Köln und konnte somit auch die klassischen Galerien motivieren, sich an dem Festival zu beteiligen. Und das Kodak Kulturprogramm stellte in den Kölner Museen berühmte amerikanische Fotograf:innen und historische Positionen vor.
In dem Katalog zur 5. Int. Photoszene 1991 heißt es: „Nach einjähriger Pause wird sie (die Internationale Photoszene) nun durch eine private Initiative neu belebt“. Wie kam es zu dieser Neuformierung der Photoszene?
1988 erklärten die damaligen Organisator:innen Reinhold Mißelbeck (Museum Ludwig) und Jeanne Freifrau von Oppenheim (Vorstand DGPh), dass sie nicht weitermachen und es auch keine finanzielle Unterstützung mehr gibt.
In der Szene setzte sich aber eine kleine Gruppe von Enthusiasten dafür ein, die Photoszene nicht sterben zu lassen und ergriffen die Initiative, weiterhin Köln zu einer Fotostadt zu machen. Daraus entwickelte sich auch für mich die Perspektive, aktiv in der Organisation zu werden.
In Folge der internen Neuformierung der Int. Photoszene hat es mit der Abkehr von dem großformatigen Katalog hin zu einem kleinformatigen Kalendarium mit integriertem Stadtplan, dem verkürzten Zeitraum des Festivals auf 10 Tage und einem ausgeweiteten Rahmenprogramm einige Veränderungen gegeben. Inwiefern haben die Veränderungen dafür gesorgt, dass die Internationale Photoszene den Charakter eines Fotofestivals bekommt, so wie wir es heute kennen?
Mit der Erfahrung von vielen internationalen Festivals wollte ich gerne einen Event schaffen, bei dem sich Menschen begegnen und über das Medium Fotografie austauschen können. Die große Anzahl von Ausstellungen in der Stadt und eine umfangreiche Publikation macht noch nicht die besondere Qualität eines Fotofestivals aus.
Der Katalog war zwar schön, aber schwer und keiner hatte Lust, das große Format durch Köln zu schleppen. Aufgrund des geringen Budgets entwickelten wir die Idee, dass das Format klein sein sollte, damit es in die Hosentasche passt. So sind die handlichen
Broschüren entstanden, die mit einer Auflage von 10 000 Exemplaren überall kostenlos erhältlich waren. Von den 2 000 Katalogen aus früheren Jahren sind dagegen immer noch viele eingelagert.
Was war der Unterschied zu dem Fotofestival beispielsweise in Houston zu der damaligen Zeit?
Für die Ausrichtung eines Fotofestivals ist Köln als Stadt nicht ideal geeignet. Die Größe und die vielen ablenkenden Attraktionen, machen es schwierig, einen zentralen Meetingpoint zu schaffen.
Ein wesentlicher Unterschied ist, dass das Fotofest Houston einen ganz anderen Schwerpunkt hat. Hier geht es vorrangig um die Portfolio Reviews, bei denen sich internationale Fotograf:innen und Reviewer treffen. Für den intensiven Austausch ist es dabei sehr vorteilhaft, dass ein großes Hotel zum zentralen Ort für alle Aktivitäten wird und sich eine Fotofamily bildet, die dort für einige Tage zusammen lebt.
Aber fingen in den 90er Jahren nicht auch die Portfolio Reviews bei der Int. Photoszene an?
Das Eurozentrum hatte internationale Galerist:innen und Kurator:innen zu einem Symposium in der Kunsthalle eingeladen, bei denen diese ihre Institutionen vorstellten. Mir kam dann die Idee, die anwesenden Gäste als Portfolio Reviewer einzuladen. Aber leider haben sich nur wenige Fotograf*innen für die Review angemeldet. (lacht)
Portfolio Reviews sind für mich eigentlich das Allerwichtigste, weil sie für Fotograf:innen eine große Chance bieten, ausgestellt zu werden. Zu der damaligen Zeit war die Idee von Portfolio Reviews in Deutschland aber noch nicht verbreitet. Viele Fotograf:innen meinten zu mir, man wolle sich nicht wie auf einem Marktplatz anbieten und verkaufen. (lacht)
Gleichzeitig stieg die Anzahl der Ausstellungen bei der Int. Photoszene in den 90er Jahren so langsam über die 100er Marke. Die Rekordteilnahme war 1998 bei der 12. Internationalen Photoszene mit 114 Ausstellungen.
Es gab in diesem Jahr eine große Diskussion, ob man nicht die Anzahl der Teilnehmer:innen an dem Festival limitieren sollte. Ich war grundsätzlich dagegen. Es gab schon immer die Diskussion, ob man in einem Café ausstellen darf und ob das genau so viel wert sei, wie in einer Galerie Arbeiten zu zeigen. Aber unterschiedlichste Orte machen ein Fotofestival ja gerade spannend!
1997 warst du sowohl im Vorstand als auch im künstlerischen Beirat der Internationalen Photoszene. Es war das einzige Jahr, in dem es einen künstlerischen Beirat gab. Damals bestehend aus: Burkhard Arnold, Michael Euler-Schmidt, Thomas Gerwers, Manfred Linke, Elmar Mauch, Tina Schelhorn, Thomas Seelig, Lutz Teutloff und Wolfgang Zurborn. Wie kam es dazu, dass es bei dieser Ausgabe so einen Beirat gab und was für Aufgaben hatte er?
Das hatte damit zu tun, dass die Int. Photoszene 1997 ein eingetragener Verein wurde. In dem Beirat haben wir vor allem über die Außenwahrnehmung der Int. Photoszene diskutiert und wie man das Festival vielleicht anders strukturieren könnte. Ich weiss noch, dass ein Kritikpunkt war, dass die Int. Photoszene „die charmanteste Zumutung der
deutschen Kunstszene sei“, weil es eben über 100 Ausstellungen bei dem Festival gab und keine Limitierung. Leider wurde unsere Idee von Schwerpunktthemen für zukünftige Ausgaben von dem damaligen Gremium abgelehnt.
Wie hilfreich eine thematische Zusammenfassung sein kann, zeigte zum Beispiel das Gemeinschaftsprojekt „Tokyo Shock“ aus dem Jahr 1999, bei dem an verschiedenen Orten 11 Ausstellungen zur japanischen zeitgenössischen Fotografie gezeigt wurden. Dieses wurde initiiert und organisiert von der Galerie ARTicle in Kooperation mit der Galerie Lichtblick und der Kuratorin Michiko Ogura. Es war wie ein kleines Festival integriert in dem großen der Int. Photoszene. Das führte dazu, dass es deutlich besser kommuniziert werden konnte, das Interesse der Medien weckte und ein großes Publikum anlockte.
Zeitgleich zur Int. Photoszene hast du ab 1995 die Hertener Fototage mit organisiert. Wie haben sich die beiden Fotofestivals unterschieden?
1993 war ich das erste Mal als Besucherin bei den Hertener Fototagen und habe den Fotografen Neal Slavin bei einem gigantischen Gruppenportrait Shooting kennengelernt. Er war in den 90er Jahren dafür bekannt geworden, große Menschengruppen zu inszenieren. Später haben wir seine großformatigen Polaroids der Serie "Britons" anläßlich des 10-jährigen Jubiläum der Galerie Lichtblick im Neven Dumont Haus ausgestellt.
Die Organisatoren der Hertener Fototage fragten mich dann, ob ich nicht auch Ausstellungen für sie vorschlagen möchte. Zu dieser Zeit lag der Schwerpunkt des Festivals noch auf der journalistische Fotografie mit dem von Agfa finanzierten „Internationalen Preis für jungen Bildjournalismus“ (Anm. der Redaktion: 1991-2001)
In Herten gab es im Gegensatz zu Köln wunderbare riesige Ausstellungsorte. Ehemalige Zechengebäude, wahre Kathedralen der Arbeit, bildeten eine echte Herausforderung für die Konzeption und Wirkung von Ausstellungen.
Ein weiterer Vorteil von Herten war die Lage im Ruhrgebiet mit vielen Ausbildungsstätten und Museen mit dem Schwerpunkt Fotografie. So konnte an langen Wochenenden mit einem umfangreichen Vortragsprogramm ein großes Publikum angelockt werden. Durch die Finanzierung von Agfa konnte ich internationale Künstler wie u.a. Bruce Gilden, Roger Ballen, Anders Petersen und Christopher Rauschenberg einladen.
Das Festival war auch so lebendig, weil Herten eine kleine Stadt ist und man sich ständig über den Weg gelaufen ist. Und jedes Mal wurde größtenteils unbekannte Fotografie eines Landes vorgestellt, vom historischen Einblick bis zur aktuellsten künstlerischen Szene: 1995 Russland, 1997 China, 1999 Japan und 2001 Europa.
Was macht für dich abschließend den Charakter eines Fotofestivals aus?
Es geht um Kommunikation und Fotografie ist das perfekte Medium.