
Norbert Moos ist Kurator, Herausgeber und gründete 2003 das Forum für Fotografie in Köln. Das Forum ist eine feste Instanz für internationale Fotografie, das bereits etablierte wie auch junge Künstler:innen ausstellt. Von 2006 bis 2012 organisierte er die Internationale Photoszene und beschäftigt sich intensiv mit asiatischer Kunst und außereuropäischen Positionen der Fotografie. Lasse Branding traf Norbert Moos im Forum für Fotografie und hat sich mit dem gelernten Unfallchirurgen über seine Begeisterung für konzeptionelle Fotografie, internationale Fotofestivals und einem prägenden Ereignis in Kambodscha unterhalten.
In einem Interview 2017 sagten Sie: „In Köln wird nichts Erkennbares getan, um die Stadt als Standort der Fotografie lebendig zu erhalten.“ Wie würden Sie heute die Situation um Köln als Standort für Fotografie beschreiben?
Das Urteil würde heute noch vernichtender ausfallen. Die Stadt Köln hat sich im Kulturbetrieb ungeheuer zurückgezogen. Und wenn ich vergleiche, was früher an Unterstützung der freien Szene da war und auch der Internationalen Photoszene dann ist das heute verschwindend gering. Das hat schon in der Zeit angefangen, als ich Leiter der Internationalen Fotoszene gewesen bin(2006-2012). In dieser Zeit war es eigentlich unmöglich, ein geordnetes Festival zu planen.
Was hatte die Zusammenarbeit erschwert?
Die Stadt Köln hat mit unterschiedlichen Förderungen die Internationale Photoszene unterstützt. Das Maximum waren zu meiner Zeit 40.000 € gewesen. Das Problem war, dass die Finanzplanung der Stadt Köln so mangelhaft war, dass für das laufende Haushaltsjahr immer erst im November die Verabschiedung erfolgte. Wir wollten im Mai unser Festival machen. Das heißt: Wir hatten für eine verbindliche Zusage, gerade mal sechs Monate Vorbereitungszeit.
Und das ist für die Planung eines Fotofestivals viel zu wenig.
Wenn ich vergleiche, mit wie viel die PhotoEspaña in Madrid operiert, fast 800.000 € oder den enormen Mengen an Geld, das der Paris Photo zur Verfügung steht, teils aus öffentlichen Mitteln, dann können wir in Köln da überhaupt nicht rankommen.
Nach dem Abriss der Josef-Haubrich Kunsthalle (2002) haben wir nichts Neues, Adäquates von der Stadt Köln bekommen. Dabei sollte das im Interesse aller sein. Kultur, vorallem Kulturvermittlung bei jungen Menschen, sorgt ja auch dafür, dass Demokratie resistenter wird. Wenn wir auf Kultur verzichten, dann ist das ein Zusammenbruch der Demokratie.
Gehen wir nochmal einen Schritt zurück. Wie ist ursprünglich ihr Interesse für Fotografie entstanden?
Also zur individuellen Vorgeschichte muss ich sagen, dass ich mich anfangs sehr intensiv mit japanischer Kunst auseinander gesetzt habe und eine große Sammlung japanischer Holzschnitte und anderer Kunstwerke aufgebaut habe. Irgendwann hatte ich das Gefühl, da muss jetzt ein Punkt gesetzt werden, weil sich die Sujets stets wiederholt haben und ich mich auch nicht weiterentwickeln konnte. Und dann bin ich auf Fotografie gekommen, die damals auch noch sehr erschwinglich im Sammeln gewesen ist.
Also haben Sie schon früh angefangen Fotografien zu sammeln ?
Ich habe als Student angefangen zu sammeln. Das Sammeln hat mich immer begleitet. Das war wunderbar.
Ein weiteres prägendes Ereignis war 1981/1982 als ich in Kamboscha gearbeitet habe. Von meiner Ausbildung her bin ich ja eigentlich Arzt, Unfallchirurg. In Kambodscha habe ich dann das erste Mal Bilder mit einer Filmkamera gedreht. Von den ganzen Journalisten, die das Land panikartig verlassen haben, war ich der Einzige, der übrig geblieben ist. Die Bilder, die ich dort gedreht habe, wurden anschließend auf der ganzen Welt ausgestrahlt. Das hat dazu geführt, dass ich mich für Dokumentarfotografie und der Wandlung von Fotografien in das nicht definierbare Realitätsbild beschäftigt habe.
Sie haben 2003 das Forum für Fotografie in Köln gegründet. Einen Ausstellungsort für internationale Fotografie, der sowohl junge, als auch etablierte Künstler:innen zeigt. Wie ist das Forum für Fotografie entstanden?
Ich hatte meine eigene Sammlung von Fotografien und das Bedürfnis, selbst aktiv in den Diskurs der Fotografie einzugreifen.
Ich vermisste auch in Köln immer mehr fotografische Ausstellungen. Es gibt Institutionen, die eng verknüpft sind mit kommerziellem Interesse. Da kann man nicht sagen, dass die eine künstlerische Freiheit haben oder eine kuratorische Freiheit.
Auf der Website des Forums für Fotografie heißt es, dass Sie aktuelle Entwicklungen in der Fotografie, aufspüren und ausstellen wollen, die unabhängig sind und außerhalb des Kunstmarktes stattfinden. Dabei sollen soziale und historische Sensibilitäten den thematischen Schwerpunkt bilden. Für welche Entwicklungen interessieren Sie sich im aktuellen Diskurs um fotografische Bilder?
Mich hat mit der Zeit immer mehr die konzeptionelle Fotografie interessiert: Die Reflexion, Unterschiedliche Fototechniken etc.
Im Augenblick zeigen wir die Ausstellung “Mind and Memory” mit Philipp Goldbach und Stephan Reusse. Reusse hat Bilder mit einer Thermokamera gemacht. Also es ist nicht Licht, was abgebildet wird, sondern Temperatur und Temperatur in ihrer Flüchtigkeit.
Wenn wir auf einem Stuhl gesessen haben und fotografieren drei Minuten später den Wärmeabdruck. Das ist eine wunderbare Fotografie der Vergänglichkeit, der Demonstration von Vergänglichkeit, vom Verschwinden als Konzept, um ein Beispiel zu nennen für konzeptionelle Fotografie.
Einen Reinfall habe ich mal erlebt bei Christer Strömholm. Das ist ja ein schwedischer Fotograf, der in Paris fotografiert hat und mir ungeheuer vertraut war. Und ich dachte, wenn ich Kristof Strömholm zeige, dann laufen die Leute mir die Bude ein. Ich hatte eine wunderbare Ausstellung aus Leihgaben, und keiner kam. Das zeigte mir, dass ich noch mehr beitragen muss,etwas Pädagogisches. Du kannst nicht einfach einen Namen zeigen und sehen, was passiert dann. Du musst vermitteln, du musst erklären.
Wie findet ihr ein Gleichgewicht zwischen Künstler:innen, die noch nicht so sichtbar auf dem Kunstmarkt und Künstler:innen, die schon etablierter sind?
Also ich mache das eigentlich so, dass einmal im Jahr ein Newcomer gezeigt wird. Das finde ich ganz wichtig. Bei Stephan Reusse und Philipp Goldbach kann man jetzt nicht sagen, das sind Newcomer. Das ist eher Lokalkolorit.
Aber auch das Lokalkolorit ist mir wichtig. So zeige ich zum Beispiel im Frühjahr eine Ausstellung "Kölner Südstadt" mit Fotografien von Chargesheimer.
Das Forum für Fotografie zeigt pro Jahr etwa vier Ausstellungen mit dem Schwerpunkt künstlerisch–konzeptuelle Fotografie. Erklärtes Ziel ist die international orientierte Förderung zeitgenössischer und noch unbekannter künstlerischer Positionen. Wie hat sich Ihr Netzwerk an Künstler:innen erweitert ?
Also das ist irgendwie ein Selbstläufer gewesen, weil viele Fotograf:innen auf mich zukamen. Ich war mit Fotograf:innen befreundet, wie zum Beispiel Rene Burri. Dazu kam, dass das Forum für Fotografie immer populärer wurde. Mittlerweile bekomme ich jeden Monat 10-20 Bewerbungen für Ausstellungen.
Anfangs muss ich sagen, dass Renate Gruber mir eine außerordentliche Hilfe im Vermitteln von Kontakten war. Sie kannte sich in der Fotozene exzellent aus. Wenn ich irgendeinen Namen haben wollte, an den ich nicht reinkam, dann hat Renate Gruber in ihr Telefonbuch geguckt und angerufen. Und dann floppte das.(lacht)
Von 2006 – 2012 waren Sie im Vorstand der Internationalen Photoszene aktiv. Ihr erklärtes Ziel war es „Die Internationale Photoszene mehr in den aktuellen Diskurs einzubetten und sie qualitativ aufzuwerten“. (Vorwort im Katalog der Internationalen Photoszene 2006)
Dazu muss man erklären wie die Internationale Photoszene überhaupt mit Ausstellungsmöglichkeiten ausgestattet war. Die Kunsthalle war abgerissen, wodurch die Bitte an verschiedene Museen aufkam, sich zu beteiligen. Dadurch wurde uns zum Beispiel das Museum für Angewandte Kunst zur Verfügung gestellt. Daneben gab es viele kleine und mittelgroße Ausstellungsräume in ganz Köln, so wie das auch heute noch ist.
Wir hatten im Vorstand immer die Diskussion, wie machen wir es eigentlich? Gehört ein Friseursalon, der acht Fotografien zeigt zur Internationalen Fotozene dazu oder muss das eine größere Einrichtung sein?
Wir haben dann auch versucht, die Bewerbungen für Ausstellungen die eingereicht wurden vorher anzusehen.
Es ist nach wie vor so, dass die InternationalePhotoszene bunt gewürfelt ist. Und das muss eigentlich als die Kraft des Festivals betrachtet werden. Ich habe immer wieder Gespräche gehabt mit Fotograf:innen, die begeistert waren und dankbar, dass sie ausstellen konnten und ihnen die Möglichkeit gegeben wurde, sich zu zeigen.
Was ist dann der Unterschied beispielsweise zu der Photo Espana, wenn man mal von den finanziellen Mitteln absieht ?
Bei der Photo Espana gibt es nicht diese kleinen Austellungen, wie bei der Internationalen Photoszene. Es gibt nicht dieses unkontrollierte Element.
Wovon profitiert ihr als Forum für Fotografie aber auch die Kulturszene in Köln, wenn die Internationale Photoszene stattfindet ?
Also ich würde sagen, die Internationale Photosszene ist sehr motivierend, insbesondere für junge Leute in den Bereich der Fotografie einzusteigen. Man kann sagen, die Szene verjüngt das Kulturverständnis der Stadt Köln und hat die Chance. mit so tollen Projekten wie Artist Meets Archive mehr Vernetzung zwichen den Institutionen zu schaffen.