Kölner Köpfe aus dem Toaster - Herbert Döring Spengler

von Luzie Ronkholz

Herbert Döring-Spengler, Das Ehepaar L. Fritz und Renate Gruber, Polaroidarbeit
Herbert Döring-Spengler, Das Ehepaar L. Fritz und Renate Gruber, Polaroidarbeit © Herbert Döring-Spengler

Der 1944 in Köln geborene Künstler Herbert Döring-Spengler stand schon immer zwischen den Stühlen, wollte und konnte sich nie anpassen, wurde weder von den Fotograf:innen noch den Maler:innen als einer der ihren anerkannt. Das mag an seiner ungewöhnlichen Methode liegen, der photochemischen Verfremdung des Polaroids. Die Sofortbilder landen im Toaster, werden geknickt, zerrissen und in einzelne Schichten seziert. Im Zentrum steht stets der Mensch, genauer gesagt das Innere des Menschen in all seinen Facetten. Bekannte Persönlichkeiten der Kölner Kunst- und Kulturszene, Lokalpolitiker:innen und internationale Künstler:innen stehen hier gleichrangig neben denen, welche von unserer Gesellschaft oft vergessen werden: Menschen mit Demenz oder diversen Behinderungen. Das Portrait ist für Döring-Spengler eine Begegnung. Viele der Bilder entstanden, indem er Ausschnitte eines zuvor gefilmten Video-Interviews abfotografierte und weiterverarbeitete. Diese Offenlegung korrespondiert mit seinem Eindringen in die Materialität des Fotografischen, einer „Operation am offenen Herzen der Fotografie“, mit welcher er zugleich dessen Selbstverständnis als Abbildung der Realität offenlegt, nur um es ad absurdum zu führen. In dieser neuen Bildrealität, so zeigt Herbert Döring-Spengler uns in seinem abwechslungsreichen Werk, wird es nie langweilig. Diese Wandelbarkeit der zu verhandelnden Themen ist es auch, welche seine Bilder nie an Aktualität verlieren lassen.

Die erste Photoszene

Erst spät begann er 1976 seine Auseinandersetzung mit der Fotografie. Als Außenstehender wagte er sich Anfang der 1980er mit ersten eigenen Bildserien in die Kölner Kunstszene und sorgte so gleich bei der ersten Ausgabe der Internationalen Photoszene Köln 1984 für einen kleinen Skandal. Die von ihm hier präsentierten Bilder zeigten präparierte Tiere, oder eher Teile von diesen, platziert auf schwarzem Geschirr und isoliert vor einem weißem Hintergrund. Was uns heute tagtäglich von in den Medien begegnet, sorgte damals eher für Befremden und habe laut Döring-Spengler dem Gründer des Festivals L. Fritz Gruber nicht ins Konzept gepasst, was zunächst dazu geführt habe, dass man nicht mehr miteinander sprach.

Doch bereits kurz danach wendete sich das Blatt: Herbert Döring-Spengler fand gerade darin seine Bilder nicht an irgendeinen Zweck angepasst, als Dekorationselement oder für die Prinzipien des Kunstmarktes, zu produzieren sein künstlerisches Selbstverständnis. Ein:e Künstler:in sei, wer aus innerer Notwendigkeit schaffe, mit der stillen Hoffnung irgendwann Anerkennung und Sichtbarkeit zu erfahren. Zwei Jahre später, bei der zweiten Ausgabe der Photoszene 1986, war er wieder dabei. Diesmal mit ersten Polaroid Arbeiten in der Galerie Glockengasse 4711. Bei der Vernissage erlebte Herbert Döring-Spengler eine Überraschung: L. Fritz Gruber betrat die Ausstellung gemeinsam mit seiner Frau Renate. Mit einem stillen Nicken und einem gemeinsamen Foto schlug das Verhältnis in eine langjährige Freundschaft um.

Die Kölner Köpfe

Diese frühen Jahre der Photoszene waren es, welche Döring-Spenglers „Kölner Karriere“ begründeten. Zwar sei er persönlich als Einzelgänger dem Austausch mit anderen Kunstschaffenden eher aus dem Weg gegangen, doch lernte er hier die großen Namen der Kölner Kunst- und Kulturszene kennen, ein Netzwerk aus Galerist:innen, Kurator:innen, Museumsdirektor:innen und Förderern, welche ihm fortan nicht nur zu mehr Sichtbarkeit verhalfen, sondern auch dazu das ein oder andere bekannte Gesicht vor die Linse zu bekommen. So sei niemand geringeres als Willy Millowitsch daran schuld, dass er überhaupt mit dem Video angefangen habe. Dieser machte ihn darauf aufmerksam, dass anlässlich der Fußball EM 1988 der Chef der Stollwerck-Fabrik Video-Kameras (damals noch ein ganzer Koffer voller Technik) bei einem Preis-Ausschreiben verlose. Als Herbert Döring-Spengler sich interessiert zeigte, habe der Fabrikleiter ihm eine mitgegeben. Es entstand beinahe eine Stunde Videomaterial aus welchem einige der „Kölner Köpfe“, eine Polaroid-Serie zu lokalen Persönlichkeiten aus allen Lebensbereichen, hervorgingen.

Doch nicht nur Kölner landeten in seinem Toaster. Der damalige Leiter der fotografischen Sammlung des Museum Ludwigs, Reinhold Mißelbeck, ermöglichte es Herbert Döring-Spengler auch international bekannte Künstler wie Richard Hamilton und David Hockney zu portraitieren (letzterer wurde übrigens spontan auf dem Weihnachtsmarkt abgelichtet), welche für die Eröffnung ihrer Ausstellungen im Domhotel einquartiert wurden. Mißelbeck war es auch der Döring-Spengler für die Mitgliedschaft in einer renommierten Fotografie-Gesellschaft vorschlug. Doch nach einer ersten Absage der Jury habe er dankend abgelehnt, er wolle nicht über Fotografie reden, sondern Bilder machen. Dies sei keine Haltung, er könne einfach nicht anders, der innere Antrieb Kunst zu schaffen sei es, der ihn immer bereits an das nächste Projekt denken ließe, für das Aufräumen und Ordnen blieb so keine Zeit.

Ein Glück für die Internationale Photoszene Köln! In den kommenden Jahren verging kaum eine Ausgabe ohne Herbert Döring-Spengler, mindestens sechs weitere Teilnahmen (1990, 1991, 1994, 2012, 2014, 2021) sind auf seiner Website genannt. Darunter seine Hommage an Käthe Kollwitz, welcher er sich aufgrund der emotionalen Tiefe ihrer Werke besonders verbunden fühle. 2021 brachte er das Komitee gar erstmals dazu eine Ausstellung außerhalb des Kölner Stadtraumes, in seiner neuen Wahlheimat Lohmar, in das Festival zu integrieren.

Späte Anerkennung

Auch über die Photoszene hinaus wurde der Künstler nicht müde in lokalen, nationalen wie auch internationalen Galerien, aber auch ungewöhnlichen Orten, wie beispielsweise dem etablierten Modehaus Pesch in Köln, auszustellen. Dennoch glaubte Herbert Döring-Spengler lange nicht daran, dass seine Bilder einmal in größeren, auch internationalen Museen, aufbewahrt und zu sehen sein würden. Mit Beständen und Ausstellungen im Museum Ludwig, dem Kölnischen Stadtmuseum und einer umfassenden Schenkung an das Rheinische Bildarchiv ist der Künstler heute in Köln fest verankert. Mittlerweile ist ihm so die Außergewöhnlichkeit dessen, was ihm damals als notwendiger Ausdruck seiner Sicht auf die Welt vorkam, bewusst.

Ein weiterer großer Name der Kölner Kunstszene war es letztendlich der Herbert Döring-Spengler zu spätem Ruhm verhalf. Als im Jahr 2017 der Nachlass des bedeutenden Galeristen und Ausstellungsmachers Lutz Teutloff versteigert wurde, löste sich damit auch seine umfangreiche Sammlung an Bildern Döring-Spenglers auf. Drei Arbeiten gingen an eine der weltweit bedeutendsten Fotosammlungen „The Family of Man“ in Luxemburg, das habe sich wie ein Ritterschlag angefühlt. Dabei ist es nur ein Beispiel für eine Vielzahl an internationalen Museen, in welchen sich bereits seit Jahrzehnten einige seiner Bilder finden lassen. Darunter auch die Internationale Polaroid Collection, in welcher er in einer Reihe mit den Größen der Fotografie steht.

Soziales Engagement

Im Jahr 2020 wurde Herbert Döring-Spengler schließlich mit dem Rheinischen Kulturpreis geehrt, in dessen Rahmen das LVR-Landesmuseum Bonn ihm eine umfassende Ausstellung widmete. Der Titel „Egal wie du es siehst, ich sehe es anders.“, hebt noch einmal die gesellschaftliche, oder eher gesellschaftskritische Dimension seines Werkes hervor. Was im öffentlichen Diskurs verhandelt wird, ist immer nur ein Teil dessen, was sich um uns herum abspielt. Um den versteckten Realitäten Sichtbarkeit zu verschaffen, geht Herbert Döring-Spengler über das Polaroid hinaus. Anhand mehrerer Installationen im Stadtraum machte er auch das Thema der Kindersterblichkeit aufmerksam und entwickelte in Kooperation mit UNICEF ein Steckbrett, welches es taubblinden Menschen ermöglicht sich künstlerisch auszudrücken.

Heute

Bei der diesjährigen Internationalen Photoszene ist Herbert Döring-Spengler leider nicht dabei. Dafür bietet das Historische Archiv mit Rheinischem Bildarchiv Köln ab Juli die Möglichkeit mit einer retrospektiven Ausstellung Bilder des Künstlers im Original zu erleben und darüber hinaus in die Geschichte der Polaroid-Fotografie einzutauchen. Grundlage bilden mehrere Schenkungen des Künstlers, darunter mehrere Hundert Motive der „Kölner Köpfe“. Und wer weiß, vielleicht ist der Künstler ja bei der nächsten Ausgabe dabei, müde geworden ist er mit seinen 80 Jahren auf jeden Fall noch nicht!


Spannende Publikationen:

Döring-Spengler, Herbert: Egal wie du es siehst, ich sehe es anders (Aust.-Kat. „Egal wie du es siehst, ich sehe es anders“, LVR-Landesmuseum Bonn, 28.10.2021 – 31.01.2022), Heidelberg 2021

Zehnter, Frank Günter (Hg.): Sprechende Hände, Polaroidarbeiten von Herbert Döring-Spengler (Aust.-Kat. LVR-Landesmuseum Bonn, 08. April – 16. Mai 2004), Bonn 2004

Döring-Spengler, Herbert: Kölner Köpfe (mit einem Vorwort von Reinhold Mißelbeck), Köln 1986

Fischer, Gert (Hg.): Herbert Döring-Spengler. Arbeiten mit Polaroid (Aust.-Kat. Stadtmuseum Siegburg, 28. August – 04. Oktober 1998), Köln 1998

Links

Rheinisches Bildarchiv Köln

Ausstellung im LVR-Landesmuseum Bonn

Website des Künstlers

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